Rassismus als gesellschaftliches Problem
Interessierte und Betroffene tauschten sich zum Thema in
Mayen aus
9.11.2020 | Durch die Protestbewegungen in Amerika und auch in Deutschland,
entwickelte sich ein neues Bewusstsein gegenüber Rassismus und die Aufmerksam-
keit auf das Thema sowie die noch immer bestehenden Ungerechtigkeiten wuchs.
Deshalb lag der Fokus der Interkulturellen Woche 2020 in Mayen auf dem Thema
„(Alltags-)Rassismus & Diskriminierung“. Dazu gab es mehrere Corona-konforme
Veranstaltungen, u.a. ein Austauschtreffen im Oktober unter der Leitung von
Carina Klee, Caritas-Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE), und
Elena Janzen vom Mehrgenerationenhaus.
Das Treffen fand im Café CaTI, des Caritas-Mehrgenerationenhauses St. Matthias in
Mayen statt. Dort traf sich eine bunt gemischte Gruppe geladener Gäste, darunter
auch von Rassismus Betroffene. Der Austausch wurde anhand von offenen Fragen
geführt, die am Ende dieses Artikels aufgeführt sind (s.u.) und zur Selbstreflexion
sowie zum gemeinsamen Austausch einladen.
Die Einstiegsfrage lautete, ob Deutschland ein Rassismus-Problem habe? „Viele
Menschen in Deutschland haben ein Rassismus-Problem und viele haben keins“,
beschrieb Pastoralreferentin Mechthild Peters, selbst ehrenamtlich in der Flücht-
lingsarbeit tätig, die ambivalente Situation in Deutschland. Steven Geilen, der als
Sohn eines amerikanischen GI, in einer Kleinstadt aufwuchs erzählte, dass er erste
bewusste Erfahrungen mit Rassismus gemacht habe, als er nach Bonn gezogen sei:
„In Bonn, in der Anonymität der Großstadt, merkt man das schon. In Mendig habe
ich das nie so gehabt. In größeren Städten schon.“ Mit der Flüchtlingswelle 2015 sei
es immer extremer geworden, und immer häufiger habe er sich die Frage gestellt,
„warum schauen mich die Leute so komisch an?“ Gerne würde Steven Geilen
wissen, was hinter dem Verhalten der Leute steckt: Angst vor dem Fremden oder
richtiger Rassismus?
So unterschiedlich wie die Zusammensetzung der Gruppe, sind auch die persön-
lichen Erfahrungen. „Deutschland hat ein großes Rassismus Problem“, urteilte
Marzieh Rafat vom Projekt FAiR – Flüchtlinge und Asylsuchende integriert in die
Region in Koblenz. Und sie erzählte, wie schwer es ihre Töchter an einem
humanistischen Gymnasium in der Region hatten.
Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass es Rassismus in Deutschland gibt und
dass sich kaum jemand von rassistischen Gedanken ganz freisprechen könne. Was
aber ist das Kennzeichen von Rassismus? Mit der Feststellung, „Rassismus ist dann
gegeben, wenn ich den anderen als minderwertig ansehe“, gab Angelika Diagayete,
ehrenamtliche Mitarbeiterin im Café International, eine schlüssige Definition. Denn
nicht jede neugierige Frage, die zweifelsohne grenzüberschreitend auch die Privat-
sphäre verletzen kann, muss zwangsläufig rassistisch sein. Wird jedoch aggressiv
gefragt, „wann bist Du gekommen und wann gehst Du?“, wie es Marzieh Rafat selbst
erlebt hat, liegt eindeutig Rassismus vor. Dass sich oft eine unbewusste Angst hinter
dem Rassismus verbirgt, vermutete Lehrer Ingo Bücker vom Megina Gymnasium,
Leiter des Projektes „Schule mit Courage“. „Veränderungen in der Gesellschaft
erzeugen bei vielen Menschen Angst und Unsicherheit, was sich unter anderem in
rassistischen und fremdendfeindlichen Verhaltensmustern äußern kann“, erklärte
Maria Zagaynova, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin des PSZ Mayen.
Leider ist Rassismus latent in der Gesellschaft vorhanden. Diese Erfahrung machen
Migrantinnen und Migranten, wenn sie bei der Wohnungssuche immer wieder
abgewiesen werden. Das bestätigte auch Mohamad Al Emam, Vorsitzender des
Beirates Migration und Integration der Stadt Mayen.
Ein weiteres Ergebnis dieser engagierten Gesprächsrunde war, dass es mehr
Aufklärung in der Gesellschaft geben müsse und mehr Hilfsangebote für Betroffene
sowie interkulturelle Schulungen in Behörden und anderen Unternehmen.
Bei Hilfe und Fragen können sich die Betroffenen an die „Meldestelle für
menschenfeindliche, rassistische und antisemitische Vorfälle in Rheinland-
Pfalz“ wenden unter kontakt@meldestelle-rlp.de oder bei den Mitarbeiterinnen
des Caritasverbandes: Carina Klee (01511 5886794), Elena Janzen (02651 9869183)
oder Ania Sikkes (02651 9869145).
Hier die Fragen der Austauschrunde:
01. | Denkst Du, dass Deutschland ein Rassismus Problem hat?
02. | Wo kommst Du wirkliche her? (Wie oft hast Du schon gefragt? Wie oft wurdest
Du schon gefragt?)
03. | Fühlst Du dich fremd, wenn Leute um Dich herum eine andere Sprache
sprechen? (Macht es einen Unterschied, ob es französisch oder arabisch ist?)
04. | Wenn Du die Möglichkeit hättest, würdest Du dein Kind in eine KiTa/Schule
schicken, in der überwiegend „weiße“ Kinder sind?
05. | Stört es Dich, wenn Frauen Kopftuch tragen?
06. | Hast Du Nachteile aufgrund deines Aussehens oder Deines Namens? (z.B. bei
der Wohnungs- oder Arbeitssuche).
07. | Wie oft geben die Menschen in deinem Umfeld das Gefühl, dass Du nicht zu
dieser Gesellschaft gehörst?
08. | Glaubst Du, dass Du nicht rassistisch bist, weil Du Freunde mit Migrations-
hintergrund oder Du selbst einen Migrationshintergrund hast?
09. | Siehst Du Menschen, die Dich repräsentieren, wenn Du die Zeitung aufschlägst
oder den Fernseher einschaltest?
10. | Haben Fremde schon einmal ungefragt deine Haare angefasst?
Rassismus als gesellschaftliches
Problem
Interessierte und Betroffene
tauschten sich zum Thema in
Mayen aus
9.11.2020 | Durch die Protestbewegungen
in Amerika und auch in Deutschland,
entwickelte sich ein neues Bewusstsein
gegenüber Rassismus und die Aufmerksam-
keit auf das Thema sowie die noch immer
bestehenden Ungerechtigkeiten wuchs.
Deshalb lag der Fokus der Interkulturellen
Woche 2020 in Mayen auf dem Thema
„(Alltags-)Rassismus & Diskriminierung“.
Dazu gab es mehrere Corona-konforme
Veranstaltungen, u.a. ein Austauschtreffen
im Oktober unter der Leitung von Carina
Klee, Caritas-Migrationsberatung für
erwachsene Zuwanderer (MBE), und Elena
Janzen vom Mehrgenerationenhaus.
Das Treffen fand im Café CaTI, des Caritas-
Mehrgenerationenhauses St. Matthias in
Mayen statt. Dort traf sich eine bunt
gemischte Gruppe geladener Gäste,
darunter auch von Rassismus Betroffene.
Der Austausch wurde anhand von offenen
Fragen geführt, die am Ende dieses Artikels
aufgeführt sind (s.u.) und zur Selbstreflexion
sowie zum gemeinsamen Austausch
einladen.
Die Einstiegsfrage lautete, ob Deutschland
ein Rassismus-Problem habe? „Viele
Menschen in Deutschland haben ein
Rassismus-Problem und viele haben keins“,
beschrieb Pastoralreferentin Mechthild
Peters, selbst ehrenamtlich in der Flücht-
lingsarbeit tätig, die ambivalente Situation in
Deutschland. Steven Geilen, der als Sohn
eines amerikanischen GI, in einer Kleinstadt
aufwuchs erzählte, dass er erste bewusste
Erfahrungen mit Rassismus gemacht habe,
als er nach Bonn gezogen sei: „In Bonn, in
der Anonymität der Großstadt, merkt man
das schon. In Mendig habe ich das nie so
gehabt. In größeren Städten schon.“ Mit der
Flüchtlingswelle 2015 sei es immer extremer
geworden, und immer häufiger habe er sich
die Frage gestellt, „warum schauen mich die
Leute so komisch an?“ Gerne würde Steven
Geilen wissen, was hinter dem Verhalten der
Leute steckt: Angst vor dem Fremden oder
richtiger Rassismus?
So unterschiedlich wie die Zusammen-
setzung der Gruppe, sind auch die persön-
lichen Erfahrungen. „Deutschland hat ein
großes Rassismus Problem“, urteilte Marzieh
Rafat vom Projekt FAiR – Flüchtlinge und
Asylsuchende integriert in die Region in
Koblenz. Und sie erzählte, wie schwer es ihre
Töchter an einem humanistischen
Gymnasium in der Region hatten.
Alle Teilnehmenden waren sich einig, dass es
Rassismus in Deutschland gibt und dass sich
kaum jemand von rassistischen Gedanken
ganz freisprechen könne. Was aber ist das
Kennzeichen von Rassismus? Mit der Fest-
stellung, „Rassismus ist dann gegeben, wenn
ich den anderen als minderwertig ansehe“,
gab Angelika Diagayete, ehrenamtliche
Mitarbeiterin im Café International, eine
schlüssige Definition. Denn nicht jede
neugierige Frage, die zweifelsohne grenz-
überschreitend auch die Privatsphäre
verletzen kann, muss zwangsläufig
rassistisch sein. Wird jedoch aggressiv
gefragt, „wann bist Du gekommen und wann
gehst Du?“, wie es Marzieh Rafat selbst erlebt
hat, liegt eindeutig Rassismus vor. Dass sich
oft eine unbewusste Angst hinter dem
Rassismus verbirgt, vermutete Lehrer Ingo
Bücker vom Megina Gymnasium, Leiter des
Projektes „Schule mit Courage“.
„Veränderungen in der Gesellschaft erzeugen
bei vielen Menschen Angst und Unsicherheit,
was sich unter anderem in rassistischen und
fremdendfeindlichen Verhaltensmustern
äußern kann“, erklärte Maria Zagaynova,
Kinder- und Jugendpsychotherapeutin des
PSZ Mayen.
Leider ist Rassismus latent in der Gesell-
schaft vorhanden. Diese Erfahrung machen
Migrantinnen und Migranten, wenn sie bei
der Wohnungssuche immer wieder
abgewiesen werden. Das bestätigte auch
Mohamad Al Emam, Vorsitzender des
Beirates Migration und Integration der Stadt
Mayen.
Ein weiteres Ergebnis dieser engagierten
Gesprächsrunde war, dass es mehr
Aufklärung in der Gesellschaft geben müsse
und mehr Hilfsangebote für Betroffene sowie
interkulturelle Schulungen in Behörden und
anderen Unternehmen.
Bei Hilfe und Fragen können sich die Betrof-
fenen an die „Meldestelle für menschen-
feindliche, rassistische und anti-
semitische Vorfälle in Rheinland-Pfalz“
wenden unter kontakt@meldestelle-rlp.de
oder bei den Mitarbeiterinnen des Caritas-
verbandes: Carina Klee (01511 5886794),
Elena Janzen (02651 9869183) oder Ania
Sikkes (02651 9869145).
Hier die Fragen der
Austauschrunde:
01. | Denkst Du, dass Deutschland ein
Rassismus Problem hat?
02. | Wo kommst Du wirkliche her? (Wie oft
hast Du schon gefragt? Wie oft wurdest Du
schon gefragt?)
03. | Fühlst Du dich fremd, wenn Leute um
Dich herum eine andere Sprache sprechen?
(Macht es einen Unterschied, ob es
französisch oder arabisch ist?)
04. | Wenn Du die Möglichkeit hättest,
würdest Du dein Kind in eine KiTa/Schule
schicken, in der überwiegend „weiße“ Kinder
sind?
05. | Stört es Dich, wenn Frauen Kopftuch
tragen?
06. | Hast Du Nachteile aufgrund deines Aus-
sehens oder Deines Namens? (z.B. bei der
Wohnungs- oder Arbeitssuche).
07. | Wie oft geben die Menschen in deinem
Umfeld das Gefühl, dass Du nicht zu dieser
Gesellschaft gehörst?
08. | Glaubst Du, dass Du nicht rassistisch
bist, weil Du Freunde mit Migrations-
hintergrund oder Du selbst einen
Migrationshintergrund hast?
09. | Siehst Du Menschen, die Dich
repräsentieren, wenn Du die Zeitung
aufschlägst oder den Fernseher einschaltest?
10. | Haben Fremde schon einmal ungefragt
deine Haare angefasst?